Nigerianischer Menschenhandel
Viele Betroffene von Menschenhandel, die von SOLWODI beraten und begleitet werden, stammen aus Nigeria oder anderen westafrikanischen Ländern. Sie werden nach Europa verbracht, um sie dort sexuell auszubeuten. Die Menschenhändler verfügen über gut ausgebaute Netzwerke, um die Frauen über Grenzen hinweg zu schmuggeln. Oft stehen sogenannte Madams im Zentrum, Frauen, die meist selbst Betroffene von Menschenhandel waren. Mittlerweile dringen jedoch mehr und mehr nigerianische Geheimbünde, z.B. Black Axe oder Supreme Eye, in das Geschäft. Diese Vereinigungen zeichnen sich durch eine besonders hohe Gewaltbereitschaft aus. Auch in Deutschland ist eine zunehmende Ausbreitung dieser Form von organisierter Kriminalität zu beobachten.
Die betroffenen Frauen und Mädchen stammen häufig aus prekären Verhältnissen und besitzen kaum oder nur eine geringe Schulbildung. Nicht selten haben sie bereits Gewalterfahrungen in der Familie oder in ihrem sozialen Umfeld gemacht. Manche wachsen als Waisen oder Halbwaisen bei Verwandten auf, erfahren nicht immer Zuneigung und gelten als unnütze Esser. All dies macht die Frauen und Mädchen anfällig für Versprechungen auf gut bezahlte Jobs, z.B. als Kindermädchen oder Kellnerin im fernen Europa. Manchmal sind auch Onkel, Brüder oder andere Verwandte in den „Verkauf“ eines Mädchens involviert.
Die Frauen müssen Schuldpapiere für die Reisekosten unterschreiben, die 30-50.000 € und mehr betragen können. Diese Summen sind fern jeder Realität, aber das realisieren die Frauen nicht, zumal sie keine Vorstellung von den Währungskursen haben. Viele glauben, dass Geld in Europa in wenigen Monaten abgearbeitet zu haben und dann Geld für sich oder die Familie verdienen zu können. Selbst wenn ihnen bewusst ist, dass sie in der Prostitution tätig sein sollen, haben sie oft keine Vorstellungen von der Dauer und den gewalttätigen und erniedrigenden Praktiken, die sie dort erleben müssen.
Der Juju-Schwur
Häufig müssen sich die Frauen noch in Nigeria einem Juju-Ritual unterziehen. Dabei werden ihnen Schamhaare, Fingernägel und Blut oder andere Körperflüssigkeiten abgenommen und sie müssen einen Eid schwören, ihre Reiseschulden zurückzuzahlen und niemandem, insbesondere nicht den Behörden, etwas über die Machenschaften der Menschenhändler preiszugeben. Verletzen sie den Eid drohen ihnen und ihrer Familie Tod, Wahnsinn und Unglück. Zwar hob der Oba, das spirituelle Oberhaupt des Königsreichs von Benin, 2018 alle mit Menschenhandel und Zwangsprostitution verbundenen Juju-Schwüre auf und verbot seinen Priestern derartige Schwüre abzunehmen, aber viele Frauen werden weiterhin damit unter Druck gesetzt oder müssen den Eid in einem benachbarten Bundesstaat Nigerias ablegen. Noch immer glauben viele Frauen an die Macht des Rituals und der Juju-Schwur bindet sie effektiver als Felsen oder Gewalt dies tun könnten.
Übergriffe und Gewalt auf der Reise
Die Frauen und Mädchen werden selten mit dem Flugzeug nach Europa verbracht, häufiger geht es mit dem Bus oder Lastwagen quer durch Afrika bis nach Libyen, zur Mittelmeerküste. Die Frauen erleiden dabei unsägliche Strapazen, Hunger und Durst. Viele berichten von ersten sexuellen Übergriffen oder gar Vergewaltigungen auf dem 2.000 km langen Weg.
In Libyen werden die Frauen oft von kriminellen Banden abgefangen, die sie in sogenannten Connection Houses zur Prostitution zwingen, bis die Madam sie auslösen kann. Die Frauen sind hier starker Gewalt ausgesetzt, Vergewaltigungen, Schläge, Stichwunden und Zigarettenverbrennungen sind keine Seltenheit.
Über die Mittelmeerroute werden die Frauen meist weiter nach Italien geschleust, wo die nigerianischen Geheimbünde besonders gut vernetzt sind. Manche Frauen werden über Spanien oder Frankreich nach Europa gebracht. Viele Frauen berichten, dass man ihnen Ausweise, Bargeld und Mobiltelefone abgenommen hat und sie auf dem Straßenstrich anschaffen mussten.
In Deutschland
Einigen Frauen gelingt die Flucht nach Deutschland. Andere werden von Menschenhändlern hierher gebracht, um sie der Prostitution zuzuführen. Die Frauen werden engmaschig kontrolliert und es wird ihnen mit Polizei und schlimmen Konsequenzen gedroht, weil sie sich ja illegal in Europa aufhielten. Sie werden eingesperrt und isoliert sowie mit Gewalt und Drohungen gefügig gemacht. Viele Frauen werden in Wohnungen prostituiert, da sie keine legale Aufenthaltserlaubnis haben und nicht öffentlich sichtbar werden sollen. Häufig werden die Frauen von Stadt zu Stadt gebracht, um die Bedürfnisse der Freier nach Abwechslung zu erfüllen. Die betroffenen Frauen wissen oft nicht einmal, wo sie sich gerade aufhalten. Die Frauen haben Angst vor Polizei und Behörden und nur wenigen gelingt es, Kontakt zu einer Fachberatungsstelle aufzunehmen.