Fachforum "Migration und Reintegration von Frauen in vulnerablen Situationen"
Unter Federführung von Gudrun Angelis richtete SOLWODI am Mittwoch, den 19. April 2023, das Fachforum „Migration und Reintegration von Frauen in vulnerablen Situationen“ sowie die Finissage zur Ausstellung „Rückkehr in Würde. Chancen für ein selbstbestimmtes Leben“ in der Zitadelle Spandau aus. Das Fachforum bot den 88 Teilnehmer*innen und ausländischen Gästen die Möglichkeit zum interdisziplinären Austausch. Zivilgesellschaftliche Organisationen trafen auf Akteur*innen aus Wissenschaft, Praxis und Sozialpolitik, um gemeinsam über Chancen und Möglichkeiten einer feministischen Entwicklungspolitik zu diskutieren.
Als Gastgeberin begrüßte Dr. Urte Evert, Leiterin der Zitadelle Spandau, die Teilnehmer*innen. Auf die anschließende Begrüßung durch unsere 1. Vorsitzende, Dr. Maria Decker, folgten Grußworte von Jochen Steinhilber, Leiter der Abteilung Flucht, Krisenprävention und Zivilgesellschaft am Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Er würdigte das langjährige Engagement von SOLWODI und dankte für die zuverlässige Zusammenarbeit im Kampf für die Rechte von Frauen in Notlagen. Steinhilber unterstrich in seiner Ansprache die Botschaft, dass Flucht und Migration nicht genderneutral sind, da Frauen und Mädchen dabei einer großen Gefahr durch sexualisierte Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt sind. In der feministischen Entwicklungspolitik sieht er die Chance, solche diskriminierenden Strukturen abzubauen.
Doch was braucht es für solch eine Politik mit Blick auf Frauen in vulnerablen Situationen? Dieser Frage widmete sich Dr. Angela Heucher vom unabhängigen Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungsarbeit (DEval). Verschiedene Umsetzungsschritte, die auf drei vorangegangenen Evaluierungsprozessen basieren und bereits in einem Policy Brief veröffentlicht sind, sollten aus Sicht des DEval vom BMZ Berücksichtigung finden. So sollte die personelle und finanzielle Ausstattung der BMZ-Vorhaben verbessert und zugleich die Anzahl spezifischer Vorhaben zur Stärkung der Gleichberechtigung der Geschlechter und zu Menschenrechten zentrale Aspekte gesteigert werden.
Vorbereitend auf die Podiumsdiskussion warf zunächst Dr.in Claudia Olivier-Mensah, Professorin an der Internationalen Hochschule Mainz, einen wissenschaftlichen Blick auf die Begriffe „Vulnerabilität“ und „Intersektionalität“. Moderiert von Gudrun Angelis kamen daraufhin Dr.in Silke Gahleitner (Professorin für Klinische Psychologie und Sozialarbeit, ASH Berlin), Renate Hofmann (SOLWODI Bad Kissingen), Lisa Wölfle (SOLWODI Fulda), Kerstin Neuhaus (Augsburgerinnen gegen Menschenhandel) und Dr.in Claudia Olivier-Mensah ins Gespräch über die politische und gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen in vulnerablen Situationen. Schlechte Bildung, fehlende Sprachkenntnisse und patriarchale Strukturen machen viele Frauen anfälliger für Versprechungen und damit für Menschenhandel oder sonstige Formen von Gewalt. Die aus solchen Erfahrungen resultierende Traumatisierung ordnete Dr. Gahleitner ein und wies auf die häufig entstehenden Beziehungsschwierigkeiten hin, die den Therapiestart behindern können. Bedauerlicherweise würden posttraumatische Belastungsstörungen bei Entscheidungen zum Aufenthaltsstatus meist vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verharmlost und nicht anerkannt. Beim gemeinsamen Mittagessen konnten die Forumsteilnehmer*innen das bisher gehörte individuell diskutieren.
Der frühe Nachmittag war der Gruppenarbeit vorbehalten. Kurze Einführungen in die drei Themen dienten der Orientierung. In der ersten Gruppe gab Manuel Unten Kanashiro von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) einen Einblick in die Aktivitäten der GIZ zum Thema „Beratung unter Berücksichtigung von Vulnerabilität im Herkunftsland“. Digital aus Nigeria zugeschaltet bereicherte Eseosa Okuku vom Nigerian-German Centre die Diskussion. In der zweiten Gruppe, „Ressourcenstärkung der Zielgruppe im Herkunftsland“, berichtete Grace Achieng ausführlich über ihre Arbeit mit Kindern bei OKOA SASA und die verschiedenen Problemlagen, wie Prostitution und Missbrauch. Einen weiteren Einblick gab Arieta Gashi in die Arbeit der Single Parent Association im Kosovo. Den Fokus auf die „Ganzheitliche Stärkung der Zielgruppe für eine gelungene Reintegration“ warf die dritte Gruppe mit Mitarbeiterinnen des SOLWODI Rückkehr- und Reintegrationsprogramms, Tatiana Topadze von Caritas Georgien und Faida Sulley von der All Smile Together Foundation in Ghana. Die Ergebnisse aus allen drei Gruppen wurden im Plenum vorgestellt. An dieser Stelle gab es nochmals die Möglichkeit zur Diskussion und zum Austausch, bevor die Veranstaltung mit dem Hinweis auf die anschließende Finissage zur Ausstellung „Rückkehr in Würde“ zu Ende ging.
Viele nutzten diese letzte Gelegenheit, die Ausstellung, in der zahlreiche Künstler*innen die Lebensläufe von Rückkehrerinnen gestalterisch umgesetzt hatten, zu besuchen. Nach Grußworten durch Dr. Urte Evert und Gudrun Angelis brachte der angekündigte Artist Talk Einblicke in die Beweggründe einiger Künstlerinnen. Im Anschluss fand ein Rundgang durch die Ausstellung statt. Bei Fingerfood und vielen guten Gesprächen klang der interessante und vielfältige Tag aus.