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Prostitution

Khoa

Prostitution in Deutschland – Ein kontroverses Thema

 

Nur wenige Themen werden gesellschaftlich so kontrovers diskutiert wie das Für und Wider der Prostitution. Fordern die einen das uneingeschränkte Recht auf freie Berufswahl für alle Frauen, argumentieren die anderen mit massiven Ausbeutungsstrukturen und Leid in der Prostitution, die mit einem Beruf oder Freiwilligkeit überhaupt nichts zu tun habe.

 

Belastbare Fakten und Statistiken sind kaum vorhanden. Nicht einmal die genaue Zahl der Menschen in der Prostitution ist bekannt. Schätzungen gehen von rund 250.000 Personen aus, manche sprechen auch von 400.000. Auf jeden Fall dürfte die tatsächliche Zahl deutlich höher liegen als die Zahl der angemeldeten Prostituierten, die Ende 2021 bei 27.743 Personen lag, d.h. nur ca. 10-15% der in der Prostitution Tätigen sind tatsächlich erfasst. 

Dabei bedeutet „erfasst“ nur, dass die Frauen wenigstens einmal eine Beratung beim Gesundheitsamt erhalten haben und dass versucht wurde, festzustellen, ob die Frauen volljährig sind und freiwillig die Prostitution ausüben möchten. Wo die Frauen sich später aufhalten und ob sie Unterstützung benötigen, ist aufgrund der hohen Mobilität innerhalb des Systems Prostitution nicht nachzuvollziehen.

 

Hinweis: Es wird hier meist von „Frauen in der Prostitution“ gesprochen, da nach Einschätzung von Fachleuten über 90% der Menschen in der Prostitution weiblich sind. Es sind jedoch immer Männer und Trans-Personen mitgemeint.

 

Die mangelnde Datenlage erstaunt umso mehr, als die Prostitution ein sehr lukratives Geschäft ist mit rund 15 Mrd. Euro Umsatz laut Statistischem Bundesamt. Trotzdem führt die Prostitution nach Aussage des Bundesrechnungshofes zu keinen nennenswerten Steuereinnahmen, d.h. es ist von Steuerhinterziehung in größerem Ausmaß auszugehen. In mehreren Bundesländern ziehen die Bordellbetreiber einen Pauschalbetrag von ca. 25 Euro pro Tag von den Frauen ein („Düsseldorfer Verfahren“), der an das Finanzamt abgeführt werden muss.

 

Sozialarbeitende, die aufsuchende Arbeit im Prostitutionsmilieu durchführen, sowie viele andere mit der Prostitution befasste Personen stimmen darin überein, dass 80-90% der Frauen in der Prostitution eine Migrations- oder Fluchtgeschichte haben. Vielfach handelt es sich um Rumäninnen oder Bulgarinnen, aber auch Frauen aus anderen Ländern Osteuropas sowie aus Afrika, z.B. Nigeria, Asien, Lateinamerika und anderen Regionen der Welt. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie meist aus prekären und bildungsfernen Kontexten stammen und nicht selten benachteiligten Minderheiten angehören. Die wenigsten hatten die Chance, eine Ausbildung zu machen, viele beherrschen die deutsche Sprache nur rudimentär. Damit haben diese Frauen auf dem regulären Arbeitsmarkt nur geringe Chancen. Sie kennen häufig ihre Rechte nicht und finden sich außerhalb des Prostitutionsmilieus nur schwer zurecht. Dazu kommt nicht selten ein durch schlechte Erfahrungen im Herkunftsland geprägtes Misstrauen gegenüber Polizei und Behörden.

 

Freiwillig?

Betrachtet man die Herkunft und soziale Lage vieler Frauen in der Prostitution, so ist zu fragen, ob man hier von einer freiwillig ausgeübten Tätigkeit sprechen kann, bzw. was der Begriff der Freiwilligkeit in diesem Kontext bedeutet. Viele der betroffenen Frauen unterliegen ökonomischen Zwängen, die nicht selten gepaart sind mit emotionalem Druck aufgrund der Erwartungen der Familie im Herkunftsland. Die Frauen haben jüngere Geschwister oder eigene Kinder, die bei Verwandten leben und denen sie eine gute Zukunft ermöglichen möchten. Manche Frauen wurden mit Versprechungen, als Hausangestellte, Kindermädchen oder Kellnerin arbeiten zu können, nach Deutschland gelockt und müssen, nachdem sich die vermeintlich lukrativen Jobs als Luftnummer herausgestellt haben, hohe „Reisekosten“ abbezahlen. Da sie keinen Beruf und kaum Sprachkenntnisse haben, scheint nur die Prostitution ein Ausweg zu sein, um Geld zu verdienen. Andere Frauen wussten durchaus, dass sie als Prostituierte tätig sein würden. Allerdings erzählen sie oft, dass sie sich nicht hätten vorstellen können, wieviel Gewalt sie erleben würden und wie hoch die psychischen und gesundheitlichen Belastungen seien. Gemeinsam ist all diesen Frauen, dass sie aufgrund einer echten oder gefühlten Alternativlosigkeit heraus, keine andere Möglichkeit als die Prostitution sehen, ihre Familie zu unterstützen. Hier sind umfassende Ausstiegsprogramme unabdingbar, die den Frauen Zugänge zu alternativen Erwerbsmöglichkeiten eröffnen.

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Jonathan Borba
Sora Shimazaki

Massive körperliche und psychische Beeinträchtigungen

 

Viele Frauen in der Prostitution entwickeln schwere gesundheitliche Probleme, sowohl körperliche als auch psychische. Nur wenige haben eine Krankenversicherung oder können sich eine aufwendige und langwierige Behandlung leisten. Viele sind trotz starker Schmerzen weiterhin in der Prostitution tätig, weil sie Geld verdienen müssen oder von Zuhältern Druck ausgeübt wird. Wollen die Frauen sich bei einer Krankenkasse anmelden, werden oft Beiträge für die Jahre ohne Versicherung nachverlangt. Ohne Unterstützung durch eine Fachberatungsstelle finden sich viele Frauen dann weiterhin ohne Krankenversicherung oder auf einem Berg von Schulden wieder.

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Leben in der Prostitution

Die Formen der Prostitution sind vielfältig. Bekannt sind vor allem Bordelle oder Laufhäuser und die Straßenprostitution. Sonderformen der Straßenprostitution sind die Wohnwagenprostitution vor allem im ländlichen Gebiet, bei der Frauen am Straßenrand stehen, um Freier anzulocken und dann in einem Wohnwagen oder anderem Gefährt zu bedienen, und die Beschaffungsprostitution, bei der nicht die Prostitution an sich, sondern die Sucht im Vordergrund steht. Es gibt Escortservices, Domina- und BDSM Studios sowie andere spezialisierte Formen. Zunehmend etablieren sich Mischformen, insbesondere zwischen Pornografie und Prostitution. So können Freier pornografische Bilder und Filme bei den Frauen bestellen und in manchen Fällen sich auch zu direktem sexuellen Kontakt verabreden. Ebenfalls zunehmend ist die Wohnungsprostitution, auf die weiter unten näher eingegangen wird. Die Freier mögen unterschiedliche Preise zahlen und die hygienischen Verhältnisse und das Ambiente mögen unterschiedlich sein. Aber all diesen Formen ist gemeinsam, dass sie Gewalt und Ausbeutung von Frauen ermöglichen, dass Frauen die oben beschriebenen körperlichen und psychischen Belastungen erfahren und dass Frauen als Ware zum Objekt degradiert und ihrer Würde beraubt werden. Es gibt keine „guten“ Prostitutionsformen.

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Pars sahin
Nord Modell

Nordisches Modell bzw. Gleichstellungsmodell

 

Prostitution kann nicht als ein Beruf wie jeder andere gesehen werden. Prostitution basiert auf hierarchischen und patriarchalen Strukturen, der Herrschaft von Männern aus dem reichen Deutschland über Frauen aus armen Ländern des Südens. Die Männer nutzen die finanzielle und soziale Not der Frauen aus. Diskriminierte Minderheiten und Migrantinnengruppen sind in der Prostitution überall überrepräsentiert. Prostitution zementiert die Asymmetrie der Geschlechterverhältnisse. Solange Männer den Körper einer Frau kaufen und nach Gutdünken benutzen können, ist keine wirkliche Gleichstellung erreicht. Gewalt bis hin zur organisierten Kriminalität ist allgegenwärtig. Prostitution zerstört die seelische und körperliche Integrität der betroffenen Frauen. Durch den Kauf ihres Körpers wird die Frau zum Objekt und zur Ware, die Würde der Frau wird verletzt. Daher fordert SOLWODI ein Umdenken in der deutschen Prostitutionspolitik und setzt sich für die Einführung des Nordischen Modells ein.

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Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG)

Bis 2002 war die Prostitution in Deutschland zwar rechtlich nicht verboten, wurde aber als sittenwidrig eingestuft. Die Städte konnten Sperrgebiete einrichten, in denen die Prostitution verboten war. Mit dem Prostitutionsgesetz (ProstG) von 2002 wurde die Prostitution legalisiert. Den Menschen in der Prostitution sollte der Zugang zu Rente und anderen Sozialleistungen ermöglicht werden, dafür mussten sie auch Steuern zahlen und sich bei den zuständigen Behörden anmelden. Das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) trat 2017 in Kraft, nachdem die Evaluierung des Prostitutionsgesetzes (ProstG) von 2002 gezeigt hatte, dass zusätzliche Bestimmungen – vor allem zum Schutz der Menschen in der Prostitution – notwendig waren. 2023 hat nun die Evaluation des ProstSchG begonnen, deren Bericht 2025 vorliegen soll. Mit der Evaluation wurde das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (kfn) beauftragt, das bereits die aktualisierte Gesetzgebung zum Menschenhandel evaluiert hatte.

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Mikhail Nilov

Und die Männer?

Anders Kristensen

Wenn über Prostitution gesprochen wird, stehen oft die Menschen in der Prostitution im Fokus. Die Freier, meist Männer, bleiben unsichtbar. Freierzitate in einschlägigen Foren belegen, dass es in der Prostitution nicht um Liebe oder Zärtlichkeit geht, sondern um Dominanz und Machtausübung. Durch den Kauf wird die Frau zu einem Gegenstand. Diese Haltung ist gefährlich, denn von Objekten wird nicht erwartet, dass sie Gefühle haben. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit sexueller Gewalt. Insbesondere wenn eine Frau in der Prostitution die Erwartungen des Freiers nicht erfüllt, gilt eine Vergewaltigung als unvermeidlich und legitim. Immer wieder hört man die Aussage von Männern, dass Prostituierte „unvergewaltigbar“ seien.

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Warum ist der Ausstieg so schwer?

Trotz aller Gewalt und Prekarität stellt die Prostitution für die Frauen eine gewisse Sicherheit dar. Sie kennen das Milieu und haben gelernt, darin zu überleben. Auch Fremdbestimmung und Gewalt durch Zuhälter und Freier scheinen ihnen oft vertraut. Kostenlose Angebote sozialer Einrichtungen, z.B. Sprachkurse, werden zum Teil aus Unkenntnis über diese Möglichkeit nicht genutzt oder weil es ihnen von Zuhältern oder Bezugspersonen nicht gestattet wird. Ideen zur weiteren Lebensplanung außerhalb der Prostitution scheitern häufig am Einfluss des Umfeldes, an rechtlichen Rahmenbedingungen und an mangelnden Sprachkenntnissen und erschwertem Zugang zu Bildung. Zuflucht zu Alkohol und Drogen helfen die Prostitution zu ertragen, erschweren einen Ausstieg jedoch zusätzlich. Andererseits erzeugen jedoch soziale Stigmatisierung, ökonomische und gesundheitliche Probleme sowie schlechte Rahmenbedingungen Druck zum Ausstieg. Für SOLWODI ist es ein wichtiges Anliegen, Frauen und Mädchen in der Prostitution Möglichkeiten zum Ausstieg zu eröffnen. Neue Orientierung im Leben zu finden, Ziele zu erarbeiten, den gewohnten Lebensrhythmus zu verändern, gleichzeitig beeinträchtigende Lebenserfahrungen zu verarbeiten und ein neues soziales Umfeld aufzubauen benötigt eine kontinuierliche und professionelle Unterstützung. Die Hilfe muss langfristig und umfassend angelegt sein. Rückschläge gibt es immer wieder.

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Heike Fischer

Quellen

 

Viele der getroffenen Aussagen entstammen den Erfahrungen und Beobachtungen, welche die SOLWODI Sozialarbeiterinnen in der Beratung, der aufsuchenden Arbeit und der Ausstiegsbetreuung machen. Außerdem sind die folgenden Quellen für einzelne Textabschnitte wichtig:

Ressourcen

 

Der Bereich Ressourcen wird ständig aktualisiert. Über Hinweise und Ergänzungen an freuen wir uns sehr.

Paulus Verkaufte Menschen

 

Bücher

 

Aktuelle Leseempfehlung: 

Manfred Paulus, Verkaufte Menschen. Roma in der Prostitution, Wien 2024.

 

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Filmkamera

Filme, Dokumentationen, Radiobeiträge, Podcasts

 

Aktuelle Empfehlung:

Aufstand im Bordell - Frauenhandel um 1900 | Doku HD | ARTE - YouTube

 

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SOLWODI arbeitet im Bereich Prostitution unter anderem mit den folgenden Organisationen zusammen:

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30 Jahre SOLWODI Deutschland 1987 bis 2017 -

30 Jahre Solidarität mit Frauen in Not in Deutschland

 

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