SOLWODI +++ Aktuell
SOLWODI Aktuell Nr. 150 vom 15.11.2024
Doppelte Sonderausgabe zu Prostitution in Rumänien –
unsere Mitarbeiterin berichtet
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,
im Jahr 2024 ist es in vielen Teilen Europas immer noch möglich, eine Frau für Sex zu kaufen. In Deutschland werden im Prostitutionsmilieu mehrheitlich Betroffene mit Migrationsgeschichte ausgebeutet. Ein Großteil stammt aus Rumänien, Ungarn oder Bulgarien. Wenn sie für den Markt nicht mehr lukrativ sind, werden sie in ihre Heimatländer zurückgeschickt und viele verelenden dort – auch aufgrund der Stigmatisierung – jämmerlich. Sie werden nicht wie Menschen, sondern wie Objekte behandelt.
Im vergangenen Sommer ist unsere Mitarbeiterin Rodica Knab, die zugleich als Traumatherapeutin tätig ist, auf einer Reise durch Rumänien verschiedenen Fragen nachgegangen:
Wer sind die Frauen, die in Rumänien prostituiert werden?
„Nach wie vor sind es die Ärmsten der Armen, die auf der Straße Prostitution anbieten“, sagt Rodica Knab. Durch Gespräche mit rumänischen Behörden und gemeinnützigen Organisationen erfuhr sie, dass die Frauen in der rumänischen Prostitution fast immer aus äußerst prekären Verhältnissen kommen. Häufig würden sie von der (Groß-) Familie auf die Straße geschickt werden. Viele der Frauen sind auf Drogen und Alkohol angewiesen, um den Alltag in der Prostitution durchstehen zu können. Die Drogenabhängigkeit wiederum zwingt sie dazu, Geld zu verdienen, um die Sucht zu stillen. So bedingen sich Prostitution und Drogenkonsum gegenseitig – ein Teufelskreis.
Zusammen mit der Asociata FREE begegnete Rodica Knab im Rahmen der aufsuchenden Arbeit – auch Streetwork genannt – Frauen in der Prostitution in Rumäniens Hauptstadt Bukarest:
„Im Gegensatz zur Streetwork in Deutschland habe ich die Frauen in der Prostitution offener erlebt. Sie sind gleich in tiefere Gespräche eingestiegen. Sie haben schnell Zugang zu den Streetworkerinnen gefunden. Sie haben von ihrer prekären Situation berichtet, von schwierigen und traumatischen Erfahrungen in ihrer Kindheit. Sie beklagten die Armut.
In Deutschland erlebe ich die rumänischen Frauen reservierter. Das Geldverdienen steht zunächst im absoluten Fokus und dem ist alles unterworfen. Das Ziel: möglichst schnell viel Geld verdienen, um dann aussteigen zu können.“
Foto: Rodica Knab, Laetitia Grotte und Nana Mallet im House of the Rock (Schutzhaus von Asociata FREE Rasnov / Brasov)
Seit ihren letzten Reisen 2017 und 2022 beobachtete Rodica Knab, dass die Mädchen und Frauen auf der Straße sowohl in Deutschland als auch in Rumänien immer jünger würden. Junge Frauen würden in der Prostitution im Ausland ihre große Chance sehen, in den reicheren Ländern Westeuropas der Perspektivlosigkeit in ihrem Heimatland zu entfliehen. Deutschland ist aufgrund der Tatsache, dass Prostitution legal ist, ein beliebtes Ziel – für die Frauen wie für Menschenhändler.
Die Verdienstchancen in der Prostitution sinken mit zunehmendem Alter. Ältere Frauen in der Prostitution kehren nach Rumänien zurück, weil sie in anderen Ländern Europas nicht mehr genug Geld verdienen. Dann bleibt den Frauen oftmals nur eine Rückkehr ins Heimatland und dort die Prostitution auf der Straße.
Von wem erfuhr unsere Mitarbeiterin mehr über die Prostitution in Rumänien?
Rodica Knab traf sich in Rumänien mit Politikern, der Polizei, Stiftungen und gemeinnützigen Vereinen. Sie diskutierte über die Situation von Frauen und Mädchen in der Prostitution mit Christian Bacanu, Beauftragter für Menschenhandel im rumänischen Parlament, mit Stefan Coman von der International Justice Mission, mit Ciprian Petcu, dem Büroleiter der Hans Seidel Stiftung in Bukarest, mit Adrian Neculita, dem Vorsitzenden von Safe Pol (Verein innerhalb der rumänischen Polizei), mit Ocneanu Catalin, dem Polizeimeister, mit Laetita Grotte und Cristina Costea, den Leiterinnen der Asociata FREE und mit Nana Mallet, Leiterin von End Demand Switzerland.
Alle waren sich einig,
dass Prostitution nahezu immer in illegalen und kriminellen Strukturen stattfindet,
dass sie menschenverachtend ist,
und dem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung Vorschub leistet.
„Die Gespräche und Erfahrungen zeigen immer wieder, dass die rumänische Perspektive in den Zielländern der Opfer von Menschenhandel mehr Gehör finden muss.
Diese wird in den Zielländern fast nie thematisiert und schon gar nicht in der Öffentlichkeit.“
Rodica Knab hat so viel Wissenswertes von Ihrer Reise mitgebracht – deswegen knüpfen wir in unserem nächsten „SOLWODI aktuell“ hier an. Wie gehen die Polizei und die Politik in Rumänien mit Prostitution um? Das und mehr erfahren Sie in wenigen Tagen.
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Mit freundlichen Grüßen
Dr. Maria Decker, Barbara Wellner und Sr. Paula Fiebag