Pressemitteilung: Nordisches Modell verletzt nicht die Menschenrechtskonvention
Pressemitteilung am 29.07.2024
Nordisches Modell verletzt nicht die Menschenrechtskonvention
Koblenz. Am 25. Juli fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein wegweisendes Urteil: das Sexkaufverbot in Frankreich stellt keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention dar. Die Organisation SOLWODI begrüßt das Urteil als wichtigen Schritt zur Stärkung der Rechte von Betroffenen und zur Bekämpfung von Ausbeutung.
Frankreich hatte 2016 ein Gesetz zur Einführung des sogenannten Nordischen Modells verabschiedet, das die Entkriminalisierung von Personen in der Prostitution, die Bestrafung des Sexkaufs sowie Ausstiegsprogramme vorsieht. Dagegen hatten 261 Personen aus unterschiedlichen Nationen geklagt, die angaben, in der Prostitution tätig zu sein. Nach ihrer Ansicht gefährde das Verbot des Sexkaufs die körperliche und geistige Unversehrtheit sowie die Gesundheit von Personen, die der Prostitution nachgehen, und verletze ihr Recht auf Achtung des Privatlebens, insbesondere in Bezug auf die persönliche Autonomie und sexuelle Freiheit. Nachdem die Klage vor den nationalen Gerichten in Frankreich erfolglos blieb, zogen die Klagenden vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Dieser ließ nur die Klage bezüglich Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privatlebens) zu. Vergangene Woche fällten die Richterinnen und Richter ein einstimmiges Urteil, dass das französische Gesetz zum Nordischen Modell keine Verletzung des Artikels 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Das Gericht hob hervor, dass die Beurteilung der Prostitution Gegenstand schwieriger und kontroverser Diskussionen sei, dass aber das Gesetz Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung im Rahmen demokratischer Prozesse darstelle. Zudem seien im Gesetz bereits die verschiedenen von den Klägern vorgebrachten Anliegen berücksichtigt worden. Daher habe der französische Staat mit diesem Gesetz seinen Ermessensspielraum nicht überschritten.
Dr. Maria Decker, Vorsitzende von SOLWODI Deutschland e.V. betont die Bedeutung des Urteils: „Europäische Staaten behalten damit ihre Rechtsgrundlage, das Nordische Modell einzuführen. Das wünschen wir uns auch für Deutschland.“ Bereits im September 2023 hatte das Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet, welche den Mitgliedsstaaten die Implementierung der einzelnen Säulen des Nordischen Modells empfahl. SOLWODI fordert schon seit längerem ein solches Umdenken auch in der deutschen Prostitutionspolitik. Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass prostituierte Menschen häufig von Ausbeutung bis hin zum Menschenhandel sowie von gravierenden gesundheitlichen und psychischen Risiken betroffen sind. Mit der bestehenden Gesetzgebung in Deutschland gelingt es nicht, diese Missstände zu beheben. Dagegen erscheint das Nordische Modell, das bereits seit über 25 Jahren in Schweden besteht und auch in anderen Ländern erfolgreich eingeführt wurde, eine vielversprechende Alternative zu sein. Insbesondere hebt SOLWODI die Notwendigkeit von flächendeckenden Ausstiegsprogrammen hervor, um Menschen in der Prostitution, die sich oft in prekären ökonomischen Zwangslagen befinden, bei der Entwicklung neuer Lebensperspektiven zu unterstützen. Das jetzt vorliegende Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat für eine Neugestaltung der Prostitutionspolitik auch in Deutschland die Tür weit aufgestoßen.
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